Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen

Psychiatrie-Finanzierung beschlossen

05.12.2016

ver.di kritisiert Schlupflöcher und Intransparenz bei Personalvorgaben

Das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen“ (PsychVVG) ist beschlossen: die Finanzierung in der stationären Psychiatrie ist neu geregelt. Das „Pauschalierte Entgelt für Psychiatrie und Psychosomatik“ (PEPP) konnte im letzten Moment gerade noch verhindert werden. Gemeinsam haben wir mit viel Druck auf allen Ebenen wichtige Verbesserungen erreicht und Verschlechterungen verhindert. Der ver.di-Aktionstag am 22. September und die zahlreichen Kontakte und Gespräche mit Bundestagsabgeordneten haben dabei geholfen. Auf Drängen der Krankenhäuser lässt der Gesetzgeber jedoch Schlupflöcher in der verbindlichen Personalbemessung zu.

Budgetsystem vs. PEPP
In den psychiatrischen Kliniken und Fachabteilungen gilt nun weiter ein Budgetsystem. Ausgangspunkt ist ab 2020 das Budget des Vorjahres, das nach einer Reihe von Kriterien verändert wird. ver.di kritisiert dabei den „bundesweiten Krankenhausvergleich“, damit wird trotz heftigem Protest ein Element von PEPP eingeführt. Die Kodierung wird nach wie vor verbindlich für alle stationären Einrichtungen. Ein Erfolg ist dagegen, dass „regionale und strukturelle Besonderheiten“ und die Kostenentwicklung berücksichtigt werden. Die neue Psychiatriefinanzierung verknüpft PEPP mit dem Budgetsystem. Damit sich am Ende nicht die Ökonomisierung gegen die bedarfsgerechte Versorgung durchsetzt, bleibt ver.di am Thema dran.

Personalbemessung mit Schlupflöchern
Mit dem PsychVVG bleibt eine verbindliche Personalbemessung in der Psychiatrie erhalten. Die bisher vorgesehene unverbindliche Empfehlung ist vom Tisch. Es wird klargestellt, dass diese auch tatsächlich umzusetzen ist und nicht nur eine budgetäre Größe darstellt. Dazu hat unser Protest maßgeblich beigetragen. 2020 soll die bisherige Psychiatrie-Personalverordnung (Psych- PV) durch neue Personalmindeststandards abgelöst werden.

Die Krankenhäuser konnten in letzter Minute noch durchsetzen, dass es Ausnahme- und Übergangsregelungen bei den Personalvorgaben geben wird. ver.di hat das scharf kritisiert. Anstatt über Ausnahmen zu reden, müssen erst einmal alle Anstrengungen unternommen werden, die Vorgaben für das Personal zu erfüllen. Auch die dauerhafte ausreichende Finanzierung von Personalstellen ist weiterhin nicht sichergestellt. Zwar wurde zuletzt noch ins Gesetz eingefügt, dass Stellen in den Jahren 2017 bis 2019 aufgestockt werden können, wenn die tatsächliche jahresdurchschnittliche Stellenbesetzung in 2016 die PsychPV unterschritten hat. Statt einer vollständigen Refinanzierung zukünftiger Tariferhöhungen ist jedoch lediglich eine Steigerung des Gesamtbetrages um 40 Prozent der Erhöhungsrate für Tariferhöhungen vorgeschrieben.

Nachweispflicht durchgesetzt
ver.di konnte erreichen, dass die Krankenhäuser bereits ab 1. August 2017 gegenüber den Krankenkassen nachweisen müssen, ob und wie sie die Psych-PV und ihre Nachfolgeregelungen eingehalten haben. Dies geschieht nicht wie bisher zu einem Stichtag, sondern im Jahresdurchschnitt.

Neue Versorgungsform Hometreatment
Neu eingeführt wird das sogenannte Hometreatment, d.h. die „stationsäquivalente Behandlung“ zu Hause. Es ist gelungen, den Zwang zum stationären Bettenabbau aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf zu streichen und das Hometreatment nicht mehr auf akute Krankheitsphasen zu beschränken. Damit ist das Konzept deutlich praxistauglicher als im Entwurf. Damit ambulante Behandlung nicht zur Sparvariante wird, braucht es die Sicherung von ausreichend Personal und gute Qualitätsstandards.

Jetzt einsetzen für Transparenz bei der Entwicklung der Personalbemessung
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und Krankenkassen in Deutschland, wird mit der Entwicklung der Mindestpersonalvorgaben beauftragt. Den medizinischen Fachgesellschaften wird ein Recht auf Stellungnahme eingeräumt. Die Beteiligung von ver.di ist nicht vorgesehen. Doch wir werden kreative Wege finden, die Expertise der Praktiker/innen entsprechend einzubringen. Dass die Vorgaben hinter verschlossenen Türen erarbeitet werden, ist nicht akzeptabel.

Eine gute Versorgung psychisch kranker Menschen braucht eine verbindliche, am Bedarf orientierte Personalausstattung. Schlupflöcher bei den Vorgaben gefährden die Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Neue Personalvorgaben müssen sich an der geltenden Psych-PV orientieren und diese weiterentwickeln. Den Entwicklungsprozess neuer Personalvorgaben wird ver.di konstruktiv kritisch begleiten. Betriebliche Interessenvertretungen sollten die verbesserte Nachweispflicht sowie bestehende Informationsrechte dafür nutzen, die Einhaltung von Personalstandards kontinuierlich zu überprüfen und einzufordern.

Statt den Fachkräftemangel als Ausrede zu benutzen, um Personalstandards zu umgehen, sind alle Anstrengungen zu unternehmen, mehr auszubilden und die Fachkräfte wieder in den Beruf zurück zu holen.

Viele haben die Kliniken wegen Arbeitsüberlastung verlassen. Nur mit guten, tariflich geregelten Arbeitsbedingungenund genug Zeit für die Patientinnen und Patientenwird die Arbeit in den Kliniken wieder attraktiv für jetzige und zukünftige Beschäftigte.

Eine hohe Versorgungsqualität in der Psychiatrie und Psychosomatik braucht eine gute Personalausstattung. Dafür macht sich ver.di stark.
Informationen zur ver.di-Arbeit in der psychiatrischen Versorgung: www.psychiatrie.verdi.de